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 DIE SPRECHENDE TAPETE
 

 Der Wind pfeift durch die Ritzen des alten Hauses, in dem Oma San und ihre Enkelin Koto San wohnen. Am Zustand ihres Hauses erkannt man schnell, dass die beiden arm sind. Meistens ist Oma San allein, denn ihre Enkelin geht zur Schule.

Der Priester ganz in der Nähe sagt immer: „Das ist eine Schule von den fremden Teufeln!“ – so nennt er die Weißen, die dort unterrichten. Aber Oma San ist wichtiger, dass ihre Enkelin etwas lernt. Sie hatte als Kind keine Möglichkeit, eine Schule zu besuchen.

 „Oma San, man kann durch die Löcher in den Wänden fast nach draußen sehen. Wir brauchen dringend eine neue Tapete!“ meint Koto San.
„Wenn das so einfach wäre!“ antwortet Oma San. „Dafür reicht unser Geld niemals!“
„Versuche es doch noch einmal!“ bettelt die Enkelin.
Und so geht Oma San wieder los. Inzwischen sind die Tapeten auf den Marktständen noch teurer geworden – sie würde für ihr Geld nicht einmal eine Rolle bekommen.
Enttäuscht und mit kleinen, langsamen Schritten macht sich Oma San auf den Heimweg.
In einem Seitenweg bewundert sie das schöne Haus mit dem Rasen davor. „Komisch - was liegt denn da für eine Kiste im Gras?“
Oma San schaut sich um – niemand sieht sie. Schnell bückt sie sich und öffnet den Deckel. Ist das denn möglich? Die Schachtel ist voll mit Papier. Hübsche Zeichen sind darauf gemalt.

 Zu Hause wird schnell der Kleister aus Mehl angerührt und fröhlich beginnt Oma San, die Blätter an die Wand zu kleben. Als Koto San von der Schule kommt, ist eine Wand schon fertig tapeziert. „Oma San, wie schon, du hast Tapeten bekommen!“ Doch dann bleibt sie plötzlich stehen. Sie muss sich den Mund zuhalten, ihre Augen beginnen zu leuchten.
Ohne es zu wissen, klebt Oma San die Bibel an die Wand. Koto San würde am liebsten Luftsprünge machen. Schnell sucht sie sich die schönsten Geschichten heraus und klebt sie so an, dass sie diese gut lesen kann.
Zuerst kommt die Geschichte an die Wand, wie Gott die Erde in sechs Tagen gemacht hat. Aber sie möchte auch die Wunder von Jesus gut lesen können.
Ob sie der Oma sagen soll, welches Geheimnis die Tapete verbirgt?
 Als beide nach der Arbeit eine Tasse Tee trinken meint Koto San: „Oma, wenn ich so auf unsere Tapete
sehe, spricht sie mit mir.“
„So ein Unsinn, Tapeten sprechen nicht.“
„Doch, sie spricht!“
Oma San steht auf und hält ihr Ohr an die Wand. „Ich höre nichts – du willst mich zum Narren halten.“
„Doch, Oma, sie spricht zu mir!“

Was sagt sie dir denn? Will jetzt Oma San wissen.
 „Hier erzählt sie, wie der große Gott Sonne, Mond und Sterne gemacht hat und die ganze Welt, in der wir leben."
Koto San liest die ersten Seiten der Bibel vor. Später liest sie von Noah und der Arche.

Die Oma ist begeistert. Jeden Tag wartet nun Oma San geduldig darauf, bis ihre Enkelin endlich aus der Schule kommt. Denn dann gibt es wieder neue Geschichten von der Wand.
Heute liest Koto San von Jesus. Er ist am Kreuz gestorben und nach drei Tagen wieder auferstanden.
 Am nächsten Morgen geht Oma San los. Sie will jetzt wissen, was der Priester zu diesen Geschichten sagt.
„Du hast das Buch der fremden Teufel an der Wand!“ schnaubt wütend der Mann in seinem roten Gewand. Er schlägt Oma San die Tür vor der Nase zu.
Aber Oma San gefallen diese Geschichten von Gott. Und sie beschließt: „Das müssen alle hören!“

Als an diesem Tag Koto San von der Schule kommt, sitzen gleich fünf Nachbarinnen am Tee-Tisch der Oma. „Wir dürfen diese Geschichten nicht für uns behalten.“
Während die Nachbarinnen eine Tasse Tee nach der anderen trinken, hören sie gut zu. Am liebsten würden sie gar nicht nach Hause gehen.

„Gott hat mich lieb, das weiß ich jetzt auch.“ meint Sien Lung, eine Nachbarin - und morgen komme ich wieder.“